Wanderskizzen

Etwa zur gleichen Zeit im damaligen Lysser Verlag 'Helvetica' (A.Wenger-Kocher) die mit 25 Illustrationen ausgeschmückte Schrift 'Lyss,Aarberg,Büren - Wanderskizzen aus der Arbeitsstube des Bernbiets' . Darin Wird unser Dorf nach einer einleitenden Beschreibung seiner geographischen Lage, mit den folgenden Worten charakterisiert:

Das sind die Bedingungen, unter denen sich aus dem alten Lyss, dem Seeländer Dorf mit strohbedeckten Häusern, das neue Lyss entwickelte, eine moderne Ortschaft, die durch ragende Fabrikkamine und pustende, pfeifende Lokomotiven ihre Signatur erhält. Die Spuren der Vergangenheit im Charakter der Ortschaft schwinden immer mehr und die Gegenwart behauptet ihre Rechte. Im Oberdorf fällt vor allem der stattliche Bau des neuen Schulhauses ins Auge; er ist einfach in den Formen und verzichtet auf alles architektonische Beiwerk, das durch den zweck der rationellen Einrichtung und würdigen Gestaltung nicht streng erfordert ist.Doch macht er einen höchst wirkungsvollen Eindruck, schon kraft seines günstigen Standortes: ein geräumiger freier Platz vor dem Eingang, im Hintergrund die freundliche Koulisse von Wald und Hügel.
Kirchenfeld
Wir kehren wieder ins Oberdorf zurück und spazieren an der alten, kleine Kirche vorbei in die Mitte der Ortschaft, wo Repräsentanten des altursprünglichen Häuserstils ("in den Studen", unterhalb der Steinbrücke über den Lyssbach) und hochmoderner Bauart (Villa und Geschäftshaus an der Aarbergstrasse 7) in unmittelbarer Nähe beieinander stehen. Die breite Querstrasse, die von hier zur Hauptstrasse führt, ist durch Anlage eines Trottoirs und einer Baumallee zu einem hübschen 'Boulevard' umgeformt worden. Einheitlich neuzeitliches Gepräge hat die Bahnhofstrasse.
Bahnhofstrasse lang
Unter den Geschäften, die hier ihren Sitz haben, sind auch eine Apotheke und eine Buchhandlung vertreten.
Bemerkenswert ist, dass namentlich in jüngster Zeit bei den Neubauten des Dorfes jene Einförmigkeit vermieden wird, die sonst den neu entstehenden Quartieren mancher rasch aufblühenden Ortschaft ein etwas eintöniges und langweiliges Aussehen verleiht. Die Lysser Baumeister lieben Abwechslung in ihren Motiven; die Anlehnung an altdeutsche Architektur mit hohen Giebeln, Erkern, Bogenfenstern wird nicht verschmäht und dem hochmodernen Jugendstil mit seiner kühnen Lebhaftigkeit in Formen und Farben wird nicht aus dem Wege gegangen.
Der Bahnhof, ein äusserst bescheidenes Gebäude, das die Bedeutung der Station Lyss als Kreuzungspunkt dreier Bahnlinien auch nicht im geringsten symbolisiert, ist Mittelpunkt eines regen Personen- und Güterverkehrs.
Ein Rundgang durch das Dorf, das sich vom Lehn im Süden bis zum äusseren Bahnhofquartier in einer Länge von 1,5 Kilometer dehnt, gibt uns Gelegenheit, die zahlreichen gewerblichen und industriellen Etablissemnts kennen zu lernen. Wir nennen die Mühlen, die Sägereien, die Baugeschäfte, die von einer Aktiengesellschaft betriebene Bierbrauerei, die Uhrenfabrik im Oberdorf, mechanische Werkstätten, die Käserei, derenorigineller Neubau der Betrachtung Wert ist, die Armaturenfabrik in den 'Studen', eine leistungsfähige Ziegelei unmittelbar hinter dem Bahnhof, endlich die Zementwarenfabrik G. und A.Bangerter, der in den folgenden Zeilen eine kurze Beschreibung gewidmet werden soll. Der Waldhügel auf der östlichen Seite des Dorfes birgt in seinem Inneren mächtige Kieslager, die einen einstweilen unerschöpflich scheinenden Reichtum an Steinen und Sand liefern. Der Zweck des Unternehmens ist, diese Gruben aauszubeuten und das gewonnene Material entweder zur Bekiesung von Bahnkörpern und Strassen, sowie zu baulichen Zwecken abzugeben, oder aber fabrikmässig zu verarbeiten. Die Bahnlinie Bern-Biel zieht sich unmittelbar am Rande des Steinhügels vorbei, so dass geeignete Vorrichtungen es möglich machen, das zur Versendung bestimmte Kies am Platze rasch und bequem zu verfrachten.

2015 Busswilstrasse 9

Unmittelbar neben dem Bahnhof ist das Zentrum der Fabrik mit der Villa des Besitzers und den Bureauräumlichkeiten. Bis zur Worbenstrasse (Bielstrasse) hinab dehnt sich der Lagerplatz für das verarbeitete Material. Eine Reihe weiterer Fabrikgebäude zieht sich der Bahnlinie entlang, so dass die Gesamtheit der verschiedenen Arbeitsstätten einen stattlichen Komplex ausmacht.
Wir finden da eine Einrichtung, die es ermöglicht, die Sandsteinbestandteile aus dem Kies durch Schwemmung zu entfernen, dann die gewaltig dröhnende und knisternde Maschine zum Brechen der harten Kiesel, endlich die Machinen und Apparate alle, welche der rohen Masse die verschiedensten Gestaltungen und Formen verleihen. Da werden angefertigt einfache Bausteine, kunstvolle Stufen, Säulen und Gesimse, Tröge, Röhren in allen gebräuchlichen Dimensionen. Scharen von Männern aus Lyss und den Dörfern der Umgebung finden hier lohnende Beschäftigung, so dass Lyss in seinen "Bergwerken" (eine der Kiesgruben ist im Besitz der Gemeinde) eine erstklassige Verdienstquelle besitzt.
Zwei Klasseninstitute befassen sich mit der Regelung des Geldverkehrs; erfreulich ist die Tatsache, dass die auf Sparhefte deponierten Summen eine beträchtliche Höhe erreiccht haben, so dass im Grossteil der Bevölkerung Fleiss und haushälterischer Sinn vorhanden zu sein scheinen.

Wie schon oben angedeutet, werden von der Gemeinde für das Schulwesen grosse Opfer gebracht. Die Sekundarschule erfreut sich grosser Frequenz; es herrscht zu LYss ein bildungsfreundlicher und arbeitsfreudiger Geist. Auch die technischen Errungenschaften der Neuzeit sind der Bevölkerung zugänglich und dienstbar gemacht worden. Den Schienensträngen, die vor Jahrzehnten Blüte und Wohlstand gebracht haben, folgten die Kupferdrähte, welche von Hagneck her Licht und Kraft bringen, dann die unterirdischen Röhren der Kanalisation und von Frienisberg her die Quellwasserleitung, zwei Werke, die in hygienischer Beziehung einen mächtigen Fortschritt bedeuten.
Erwähnt sei schliesslich noch, dass die Gemeinde zur Hebung des Verkehrs kürzlich die Abhaltung von Jahrmärkten beschlossen hat.