2. Beitrag 1945
Neben der Landwirtschaft war das Gewerbe in Lyss schon frühzeitig vertreten. Der Lyssbach, der seinen Lauf mitten durch das Dorf nimmt und eine gleichmässige Wasserkraft aufweist, lud zur Ansiedlung ein.
Drei Mühlen, von denen eine schon unter Graf Peter von Aarberg existiert hat, sind im Betrieb. 2 Sägereien sind auf die Holzbearbeitung eingestellt. In mechanischen Werkstätten wurde fleissig gearbeitet. Eine Oele, eine Wollspinnerei und eine Färberei sind seither eingegangen.
ein weitererFaktor, der Lyss wirtschaftlichVorteile gebracht hat, war der Bau der Bahnlinie Bern-Biel (damalige Jurabahn). Zwar hat dieser Bahnbau in unserer Ortschaft nicht durchwegs Zustimmung gefunden. Eine gewisse Opposition machte sich geltend, doch ist diese bald im Sande verlaufen. Der Bahnbau brachte unsere Ortschaft näher an das Industriezentrum von Biel und an dasjenige des Juras. Dort war die Uhrenindustrie bereits in voller Blüte, die denn auch bald Einkehr in der Ortschaft Lyss fand. Vorserst waren es nur die Heimarbeiter und die kleinen Ateliers, die auf diesem Gebiete tätig waren. Diese arbeiteten für die Fabriken in Biel und es war immer etwas Anschauliches, zu sehen, wie die Kleinmeister von Lyss an Samstagen die fertige Ware in sog. "Carton" unter den Arm nahmen, nach Biel fuhren, dort die Ware ablieferten und das verdiente Geld in Empfang nahmen. Bald darauf sind auch 2 Uhrenfabriken entstanden, die sich ebenfalls am Lyssbach etablierten und sich dessen Wasserkraft zunutze machten.Die Uhrenmachererei hat sich allerdings nicht zu halten vermocht. Die Heimarbeit wurde unrentabel und die beiden Fabriken vermochten den modernen Betrieben nicht standzuhalten. Heute sind nur noch Spuren der Uhrenmacherei vorhanden.
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Ein weiteres Bahntracé berührt Lyss seit 1876, nämlich die Broyetalbahn, mit Fortsetzung über Solothurn nach Herzogenbuchsee. Damit ist Lyss zum Eisenbahnknotenpunkt geworden und es begann eine neue wirtschaftliche Entwicklung. Die mächtigen Kieslager, eine Ablagerung des Rhonegletschers, sollten nicht unberührt bleiben. Die Firma A.Bangerter & Co. nahm deren Ausbeutung an die Hand, schuf eine grössere Fabrik für Baustoffe und Zementwaren. Die Lehmschichten, die uns ebenfalls der Gletscher zuführte, sollten auch Verwendung finden. Ungefähr zur gleichen Zeit entstand die Ziegel- und Backsteinfabrik. In diesen beiden Betrieben fand eine grosse Zahl von Arbeitern aus der Ortschaft und aus der näheren Umgebung lohnenden Verdienst. An Stelle der Uhrenmacherei nahm die Uhrensteinindustrie ihren Einzug. Grössere und kleinere Betriebe in dieser Branche haben sich zu behaupten vermocht und sind im Aufschwung begriffen.Eine weitere grössere Unternehmung, die Metallgiesserei und Armaturenfabrik, mit weit über 100 Arbeitern, hat bald darauf ebenfalls festen Fuss gefasst. Die Firma ist für die Fabrikation von Qualitätswaren bekannt. Hinter diesem industriellen Aufschwung ist auch der Kaufmannsstand nicht zurückgeblieben. In steter Entwicklung hat sich derselbe auf einen soliden Boden gestellt. Die schönen Geschäftshäuser zeugen davon. Aber auch Handwerk und Gewerbe haben mit den übrigen Wirtschaftsgruppen Schritt gehalten. Alle Zweige davon haben im Laufe der Zeit in Lyss Einzug gehalten, sich beständig verbessert und vergrössert, im Bestreben auf der Höhe der Zeit zu bleiben.
1914 lyss 8
Von Bedeutung ist auch der Bau eines Zeughauses in Lyss. Die Anlage war kurz vor dem Ersten Weltkriege fertig und das Material für die in Betracht fallenden Einheiten bereits im Zeughause magaziniert. Während den Kreigszeiten wurde die Ortschaft mit zahlreichen Mobil- und Demobilmachungen belegt. Es brachte dies Leben und Verkehr in die Ortschaft, dies wiederum zum Vorteil von Gewerbe und Handwerk, wodurch der Wirtschaftskrise besser standgehalten werden konnte. Nunmehr wird Lyss noch Waffenplatz, indem gegenwärtig eine Kompaniekaserene im Bau ist. Sie ist für die Ausbildung einer Mittrailleur-Kompanie vorgesehen, in baulicher Hinsicht also nicht übermässig gross. Immerhin ist auch von ihr etwas zu erwarten.Die frühere Abgeschiedenheit ist noch auf andere Weise gesprengt worden. In Erkenntnis dessen, dass auch Verkehrswege zum Aufbau der Wirtschaft beitragen, wurde die Schaffung solcher an die Hand genommen. Der erste Schritt war der Bau einer Strasse nach Biel. Während sich früher der Überlandverkehr von Bern nach dem Jura über Frienisberg-Aarberg vollzog, führt diese wichtige Verkehrsaderheute über Lyss. Andere, später erstellte Verbindungen in die Nachbargemeinden dienen mehr dem lokalen Verkehr. Die Anlage dieses Strassennetzes hat sich für die Ortschaft vorteilhaft ausgewirkt. Mit dieser Entwiclung hat auch das Ortschaftsbild eine Veränderung erfahren. Vieles ist verbessert und verschönert worden. Zur Aufnahme der stets zunehmenden Bevölkerung sind neue Quartiere entstanden, die sich in jeder Beziehung gut präsentieren. Die alten zum Teil noch mit Stroh oder Schindeln gedeckten Hütten innerhalb des Dorfrayons mussten Geschäftshäusern Platz machen, die wirkungsvoll dastehen. Der Lyssbach, dessen Wasserkräfte geschätzt sind, der auch durch Überschwemmungen oft viel Unangenehmes gebracht hat, ist mit grossem Kostenaufwande verbaut worden.Die Gemeinde ist besonders stolz auf dieses Werk. Auf eine Verbesserung der Strassen und durch Anlage von Trottoirs. Der Bau der neuen Kirche im Jahre 1936 und der pietätvoll angelegte neue Friedhof auf dem Hutti verdienen besondere Erwähnung. Beide zeugen davon, dass auch das religiöse Leben rege ist.
Lyss Kirche
So ist im Laufe der Zeit vieles anders geworden. Aus einfachen, fast primitiven Verhältnissen ist eine blühende Ortschaft entstanden, deren Bevölkerung innert 80 Jahren von 1600 auf 3600 Seelen angewachsen ist. Industrie, Handel und Gewerbe sind nunmehr vorherschend. Möge der Geist, der zu dieser Entwicklung geführt hat, weiter andauern und Lyss sich als zweitgrösstes Zentrum des Seelandes behaupten können.