Älteste Spuren
Die ältesten Spuren menschlicher Tätigkeit auf dem heutigen Gemeindegebiet führen zurück in die Bronzezeit (2000 -1250 v.Chr.), doch handelt es sich bei den in der Hardern, im Grentschel, im Aaregrien und bei der Ziegelei gefundenen Gegenständen (je zwei Lappenäxte und Bronzeringe sowie eine Lanzenspitze) um Streufunde, aus denen nicht auf eine feste Besiedlung geschlossen werden darf.
Auf eine gewisse Sesshaftigkeit des Menschen weisen hingegen die Gräber im Kreuzwald hin, Nach dem Urteil der Archäologen handelt es sich bei diesen kreisrunden und etwa ein Meter hohen Grabstellen um Fürstengräber der Kelten. Der in unserer Gegend ansässige Keltenstamm der Helvetier erbaute das ursprüngliche Strassennetz unseres Landes und führte im 4.]ahrhundert v.Chr. erstmals eine Landesvermessung durch. Ein Fixpunkt des damaligen Vermessungssystems lag, wie aus dem Namen der Längeneinheit «Leuga» (Wegstunde) abzuleiten ist, auf der «Leuern» in Lyss.
Der noch heute gebräuchliche Flurname «Finiz›› von zwei Waldstücken östlich des Weilers Hardern ist wohl römischen Ursprungs und weist wahrscheinlich darauf hin, dass es sich um Waldungen im ehemals unvermessenen Grenzgebiet der Kelten handelte. Schliesslich ist auch der Ortsname Lyss selbst keltischen Ursprungs, da er sich von «lessa» (Stall, Hütte) ableitet. DerOrtsname erlebte im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Wandlungen; er wird zu Unrecht mit y geschrieben, wie aus folgenden älteren Namensformen hervorgeht: Lissa (1009), Lisso (1137), Liso (1238), Lise (1246), Lisson/Lissen (1256) und Lisa (1228).
Die geschichtlich bedeutendsten und zahlenmässig umfangreichsten frühgeschichtlichen Funde unseres Dorfes stammen aus der Völkerwanderungszeit (500-700 n.Chr.). In zwei leicht erhöht am Hügelrand liegenden Fundstellen, an der Sonnhalde im Nordosten und auf dem Kirchhubel im Südwesten des Dorfes, stiess man auf zahlreiche Grabstätten mit Beigaben.
An der Sonnhalde kamen in der ehemaligen Kiesgrube Häberli fünf Reihengräber zum Vorschein, aus denen Särge, Skelette, Kurzschwerter, verzierte Gürtelschnallen, Eisenmesser, Feuerstahl und ein Trinkgefäss geborgen wurden. Bestattungsart und handwerkliche Merkmale der Fundgegenstände dieser in den Jahren 19o9_1911 untersuchten Gräberanlage weisen darauf hin, dass es sich um ein Bestattungsfeld der Alemannen handelte, die vom 3.]ahrhundert n. Chr. an in unser Land eindrangen. Die Alemannen teilten auch in unserer Gegend das Ackerland in räumlich auseinanderliegende und verschiedenartig bewirtschaftete Zelgen auf, schieden für den Weidgang des Viehs die Allmend aus und schlugen bei zunehmender Bevölkerungszahl grosse Rodungen in die Wälder. In unserer Ortschaft weisen die heute noch gebräuchlichen Flurnarnen «Oberzelg» und «Unterzelg» auf die ehemalige alemannische Dreifelderwirtschaft hin.
Handelt es sich bei den Reihengräbern an der Sonnhalde offenbar um ein Gräberfeld der Alemannen, die ihre Toten im Kiesgrund zu bestatten pflegten, so sind anderseits die im Molassegestein des Kirchhubels entdeckten Gräberanlagen, die in den Jahren 1931 – 1933 vom Lysser Ortshistoriker Dr. Ernst Oppliger untersucht wurden, Zeugen der Burgunder, die in der Völkerwanderungszeit von Westen her allmählich in die Westschweiz eindrangen. Das Nebeneinander von Gräbern zweier verschiedener Völker auf unserem Dorfgebiet erklärt sich aus dem Umstand, dass Lyss im ehemaligen burgundisch-alemannischen Grenzgebiet lag, in dem die beiden Volksstämme nebeneinander und miteinander lebten.
Die reichen historischen Funde des Kirchhubels - eine umfangreiche Gräberanlage, eine Zisterne, Skelette, Langschwerter, Feuerstahl, Eisenmesser, Gürtelschnallen sowie Baureste, Ziegelplatten und Leistenziegel römischen Ursprungs - zeigen, dass der Kirchhubel als «zeitlicher und räumlicher Ausgangspunkt» der Siedlung Lyss zu betrachten ist. Über dem Gräberfeld des Kirchhubels, der als markanter, auf drei Seiten steil abfallender Sandsteinsporn an strategisch günstiger Stelle in das Lyssbachtel hineinragt und gleichzeitig die Aareebene überblickt, wurde wahrscheinlich im 9. oder 10.Jahrhundert n.Chr. eine erste Kirche erbaut.