am Solothurnmärit

Lyss besass in früheren Zeiten kein Marktrecht; Wer etwas Besonderes kaufen oder verkaufen wollte, musste deshalb mindestens nach Aarberg oder Büren stapfen, oder auch weiter. Und man scheute diese Gänge nicht. Man sagt, dass noch im letzten Jahrhundert Lysser regelmässig sogar den Markt im «Luggli›› (Le Locle) besuchten, wohlverstanden: zu Fuss! Es war beispielsweise auch ganz selbstverständlich, dass Grindelwaldner Bauern mit ihrem verkaufsreifen Vieh jeweilen kurz nach Mitternacht loszogen, um es nach fünf- bis sechsstündigem Marsch in Interlaken auf dem „Gallus- oder Michaelsmarkt“ anbieten zu können. Und man erzählte etwa von einem übertrieben sparsamen Bergbauer, er habe, um sich nicht in unnötige Kosten zu stürzen, in einer Schweinsblase Kartoffelsuppe mitgenommen als Zwischenverpflegung.

Aber nicht alle waren so sparsam. Auch in Lyss nicht. Ebenso leichtsinnig wie heute gab damals ein gewisser Menschenschlag von ewigen Habenichtsen sein Geld aus. Und ein Besuch des Marktes in der damaligen Ambassadorenstadt Solothurn gab besonderen Anlass dazu; denn dort wurden wunderlichste Dinge angepriesen. Einer dieser «Habenichtse››, der es auch nicht verklemmen konnte, dorthin zu gehen, trieb es jedoch auch in den Augen des Chorgerichtes zu arg.

So lesen wir im Chorgerichtsprotokoll, dass am 29. März 1716 Rudin Blanck vor Chorgericht kam, weil er «bey letzt gehaltenem Solothurnermärit sich wohl im Heruntergehen als auf seiner Heimreise beydemahl dergestalten mit Wein und Brantenwein angefüllet, dass man grosse Mühe gehabt, denselben fortzubringen und zu schleppen››, weil er selbst nicht mehr sich auf den Füssen halten konnte. Schliesslich brachten ihn seine Begleiter nicht mehr vom Fleck und liessen ihn «in dem Wald gegen Busswil als ein garstig Schwein liegen››. Sie meldeten dies den Angehörigen in Lyss, und dann wurde er auf einer holprigen Bännenfahrt heimgeführt.

Was geschah mit ihm vor Chorgericht? Da heisst es, die Ehrbarkeit (Chorgericht) habe «diesen bösen Buben heftig beschulten Wegen seines groben Fehlers und abscheulichen Lasters der Füllerey und Trunckenheit››. Eigentlich hätte man ihn gerne in die «Kfi» nach Aarberg verurteilt, doch «weil er, noch seine Mutter, den Kosten hätten abzutragen vermöcht››, sah man davon ab und brummte ihm nur eine Busse von 10 Schilling auf.