schlechter Wein beim Caspar

Der Weibel brachte dem jungen Wirt Caspar das Aufgebot, am Sonntag, 11. September, vor Chorgericht in der Kirche zu erscheinen. O ja, das werde er schon tun; diesen Herren wolle er mal klaren Wein einschenken. In solcher Stimmung trat er vor die «ehrbaren›› Herren, im Bewusstsein, dass er sich seit dem letzten Gerichtsverhör keines strafwürdigen Vergehens schuldig gemacht habe.

Auch die Chorrichter wollten keine neuen Klagen vorbringen; ihnen lag einzig daran, die missliche Stimmung zwischen ihnen und dem Wirt abzuklären und, wenn möglich, aus der Welt zu schaffen, denn schliesslich sassen sie ja selbst oft und gerne im Wirtshaus beisammen, wo sie ungehemmter als in der Kirche oder im Pfrundhaus

ihre Ansichten über die Zeitenläufte äussern durften, und Wo es in vorgerückter Stunde sogar einmal zu recht „handgreiflichen“ Auseinandersetzungen gekommen sein muss, wie aus einer Eintragung im Chorgerichtsmanual ersichtlich ist.

Man ging also sachte vor und fragte den Wirt vorerst, „worurnb er

gesagt, man heige Nyd und Kyb Wider ihn?“ Darauf seine „puckte“ Antwort: «derjenige, der ihn verklagt, er habe ufem fuder kom in der Schüren Sacrament gschworen, der trage Nyd und Kyb wider ihn.››

Das liess man ihm ohne Widerspruch gelten. Dann stellte der Vorsitzende ihm die heikle Frage: «warumb er im ustretten us der Kilchen mit hönischen, truzigen und zornigen Worten gseit heige, es müsse gstorben oder gnäsen sin?›› Caspar fuhr jähzomig auf, „er Welle dem Vogt und den Herren nachgahn, zu gsen, ob er nit am Sontag den Iüthen im Wirtshaus ein halb mass uftragen dörfe“.

Aha, da kam Caspars wahre Natur wieder zum Vorschein: unbändige Gewinnsucht und die damit verbundene Meinung, nur ihm allein geschehe unrecht; drum brachte er anschliessend in höchster Lautstärke vor, «es heige des predicanten Sohn Niclaus am Sontag abendts im Wirtshaus die fäüst wider ihn gmacht“, aber natürlich, was des Prädikanten Sohn mache, das sei alles in Ordnung, hingegen, «wenns ein anderer gethan, man wurde ihn Wohl finden!!»

Verblüfft schauten sämtliche Chorrichter auf den Prädikanten, und wohl oder übel, so heisst es weiter im Protokoll, «hab ich desswegen den ganzen handel, Wie er verloffen, den Chorrichteren in Caspar Martis gegenwart erzelt folgender gstalten: Sontag abendts den 5. brachmonat dises 1664. jahres hab ich eins miner kinden oder hausgenossen geschickt, zu minem Nachtmal ein Vierteli Wyn (rund 4 dl) z‘reichen im Wirtshaus. Do hatt der Caspar selbs den wyn zogen und geben. Als wir ihn schmecken Wellen, War er voller blumen, neben dem dass sie schon by 4 wochen darvon usgeben haben; hab desswegen das kändli sampt dem wyn darimi miner tischgängeri (Kostgängerin) Benigna Guibaud, des Herren Vänner von Losannen Tochter geben, dass sie den wyn Wider brechte und das galt, nemlich ein batzen (dann sie die mas umb 4 batzen verkauften) wider abforderte; wyl ich aber besorgte, dass Caspar als ein zornmütiger bub etwas unwesens mit der tochter anfangen wurde, bin ich ihren alsobald nachgefolget, underwegen Hans Klentschi den wyn mit den blumen gezeigt, der darvon auch zu anderen nachpauren (Nachbarn) geredt.

Als wir in das wirtshaus kommen, sasse er mit siner Mutter by dem fenster ob dem tisch, welche sampt dem übrigen hausvolck znacht gessen hatten. Sprach ich zu ihm: ,Caspar, ich bringe dir den wyn wider, wyl er voller blumen und schlecht ist.' Hatt er angenz mit zornigen Worten gesagt, es ist nicht wahr, dass es schlechter wyn sig, er heig kein schlechten wyn. Daruf ich ihm das kändli ufgethan und die blumen sampt dem wyn gezeigt, darüber er truzig gesagt und geschrauwen: was mehr sig, wenn schon blumen oben druf sigen, der Wyn sig gut und nit schlecht.

Da hab ich gseit: ,Du hast doch schon by 4 wochen dran usgänf Spricht er: ,Der wyn ist nüsten gut? lch sagte, ich mög ihn nit trincken, er sölle mir mein gelt wider

geben und den Wyn behalten.

Antwortet er mit luthem schreyen: ,Ich bins nit schuldig', schliege hiermit dickermahlen (mehrmals) mit der faust uf den tisch, stiend uf, streckt den arm us, macht ein faust wider mich, dass ich besorgte, er mich an den hals schlagen wurde. Unterdessen kam min Sohn darzu, sagt: ,Wenn du den Vatter schlagen wirst, so will ich auch mit dir

schlagen'

Daruf der Caspar geantwortet: ,Gang, oder ich schlage dich uf den boden nider.‘

Underdessen hatte sin Mutter miner tischgengerí das kändli abgenommen, usgelärt, und der tochter den batzen gegeben; ich bin also hinusgangen. lm hinusgehen hatt er Schantliche wort mir nachgeschrauwen, darumb ich das hausgsind gemant, derselben ingedenck zu sin; wyl aber niemants unparteisch da gsin, usgenommen ein Zytrichter (Uhrenmacher), so im land herum streicht, Welcher in zweyen tagen hinweggangen, da man nit Weiss wohin, hab ich den ganzen handel Gott befolchen und sprach witer zu Caspar: ,Du weist, dass ich dich darum weder vor geist- noch Weltlichem gricht jemahlen zured gestelt hab, sittenmal ich es übergeben dem, der alles gehört und

recht richtet.“

Zum Schlusse heisst es noch, «Nun nach erzellung disers handels sprachen die Chorrichter: ,Caspar, bitt den Herren umb verzychungl” Welches er Schwärlich thun Wellen, doch endtlich, aber mit läwen Worten»