Wegen Unzucht in der Kefi

Dass einer wegen Unzucht ins Gefängnis kam, überrascht uns keineswegs, denn wir Wissen, wie streng die Chorrichter im 17. Jahrhundert zu verurteilen wussten; doch der Begriff „Unzucht“ in der Überschrift täuscht, da er im Lauf der Jahrhunderte einen Bedeutungswandel erfuhr.

Damals verübte einer schon eine Unzucht, wenn er Wegen zu viel Trinkens erbrechen musste; den Wein, eine Gabe Gottes, so zu verschwenden, War strafbar. Wie streng darüber gewacht Wurde, sehen wir aus folgenden Verhandlungen unseres Chorgerichtes.

Am 25. Mai 1679 erschienen 2 Delinquenten vor den gestrengen Herren in der Kirche zu Lyss. Wir lesen da:

«Den 25. May ist allhar vor die Ehrbarkeit citiert worden Niggi Plaüwer von Busswyl, wegen dass er drunten in dem Wirtshaus by dem drunck übell geschworen und einen anderen kätzer geheissen, auch hernach an dem Montag in der hohen Wochen früh am tag sich voll gesoffen, und ist darumb von der Ehrbarkeit umb einen halben

gulden gestraft und zur besserung seines läbens ernstlich vermahnt worden.››

Mit dem halben Gulden War für «Niggi Plaüwer von Busswyl» die Sache erledigt. Nicht so einfach lag der folgende Fall; da heisst es:

«Eodem die (gleichen Tages) ist Bändicht Huber hie von der Ehrbarkeit verklagt worden, er heige eine unzucht begangen drunten in dem Wirtshaus. Weilen er aber dessen gelaugnet, ist er biss auf weitere nachforschung der wahrheit heimgewisen worden.››

«Bändicht Huber» war kein anderer als der damalige Schulmeister von Bargen. Mit Verdacht wurde er heim nach Bargen geschickt, aber wehe, wenn Weitere Nachforschung Strafbares an den Tag bringen würde! Und dies schien einzutreffen; der Chorgerichtsweibel musste nach Bargen stapfen und dem Schulmeister eröffnen, er habe am 3. Oktober vor Chorgericht in Lyss zu erscheinen Wegen Anklage auf

Unzucht. Dem armen Schulmeisterlein blieb also nichts anderes übrig, als an jenem Tage sich «auf die Socken zu machen>›, und rechtzeitig trat er an, denn er hatte ein ruhiges Gewissen; es nahm ihn nur wunder, wer ihn denn einer solchen Untat wegen verklagt habe. Dem wollte er dann heimzünden!

So wurde denn die Verhandlung eröffnet, und im Protokoll steht geschrieben:

«Bendicht Huber, der Schulmeister von Bargen, ist iez zum anderen mahl allhar vor die Ehrbarkeit citiert worden, dass er solle ufdem feld nachher Aarberg eine unzucht begangen haben.››

Aha, dachte der Schulmeister, das erstemal warfen sie mir eine Unzucht drunten im Wirtshaus vor, jetzt soll ich's auf dem Feld gegen Aarberg getan haben; ist da nicht etwas Unsauberes dran?

Aber das Chorgericht schien wohlbegründete Ursache zur Anklage zu haben; Niggli Arn, niemand anderes als ein Sohn des damaligen Vorsitzenden des Chorgerichtes, bezeugte vor allen Anwesenden, er habe ihn gesehen «den finger in den hals stecken››, “Eine solche Unverschämtheit!“ dachte der Schulmeister, und laut

beteuerte er, das sei einfach nicht wahr, und er ging sogar so weit, zu sagen, «er halte ihn, den Niggel Ani, nit für einen biderman, und er berichte das Chorgricht mit lügenen“. Mit andern Worten klipp und klar: Niggel sei ein Lügner. Er begründete diese Behauptung sogar mit folgend er Feststellung; „er, der Schulmeister, heige nur das wasser daselbsten abgeschlagen, wo Niggel ihn angetroffen habe.›› Wie sollte da das Chorgericht urteilen? Behauptung stand gegen Behauptung. Ein Zeuge allein genügte doch wohl nicht. Drum erkannte die „Ehrbarkeit, dass er, der Schulmeister, einmal auf weiteren bericht wider heimb gehen solle» und man werde den «Stathalter von Aarberg umb Rath» fragen.

So beinelte denn das Schulmeisterlein innerlich wütend wieder Bargen zu und hoffte im stillen, die Sache sei nun erledigt. Aber da täuschte er sich. Die Chorrichter spannen alle Fäden weiter wie eine Kreuzspinne ihr Netz, und schliesslich verting sich das Opfer unrettbar darin. Ob mit Recht oder Unrecht?

Wir stellen nur folgendes fest: unter dem 23. November 1679 steht im Protokoll: «Eodem die ist vor der Ehrbarkeit erschinnen Bändicht Huber, Schulmeister von Bargen,und zwar nochmahlen,wegen dass er ist angeklagt worden, er heige unterwägen zwüschen Lyss und Arberg eine unzucht begangen. Weilen er aber uff erhörte kundtschaft und nach ansehen aller umbständen solches gethan hat, dennoch hartnäckig laugnet, ist er uffbeíähl Hrn. Statthalter Künzis in die Gefangenschaft zu legen verurtheilt worden»