Ballgeflüster
Tafelrunde! Ball! Das klingt reichlich vornehm. Da entstehen Probleme: «Was ziehe ich an?›› «Wann muss ich zum Coiffeur?›› «Gehen die Tanzschuhe noch?›› «Welchen Schmuck wähle ich'!›› «Hast du eine neue Krawatte?›› «Wie manchen Tag muss ich fasten, damit das Kleid noch passt?›› Nein, alle diese Fragen sind heute Nebensache. Man darf in allen Farben und Formen zum frohen <<Familienfeste›› antreten, ungeziert
und ungehemmt mitmachen. Das War nicht immer so. Ich erinnere mich noch, wie sich meine älteste Schwester zu ihrem ersten <<Ball›> vorbereitete. Sie war damals
1000 Wochen alt, ich sechsjährig; aber ich sehe es noch, als ob es gestern abend gewesen wäre, wie der ältere Bruder ihr dabei half, die <<Häftli›› einzuhaken, damit der Rock schön glatt über dem «faux-cul›› (dem «falschen Sitzledem) liege und die Wespentaille ja richtig zur Geltung komme.
Das «fauX-cul›› sei doch damals nicht mehr Mode gewesen, meint meine Frau. Doch, doch, ich weiss noch, wie meine Schwester lachend erzählte, die Nachbarin, die Tochter eines Maurers, habe als «faux-cul›› einen Zementsack - damals bestanden diese noch aus Stoff - verwendet. Und dann kam als <<Clou›› zum Ballkleid noch das «Gelleretli››. Ach so, ihr Wisst nicht, was das bedeutet? Nun, das war eine kleine Uhr in goldener Schale und an langem goldenem Kettelchen, die meine Schwester um den Hals hängte und hinter die ohnehin schon sehr enge <<Ceinture›> steckte. Warum nannte man das Ding denn «Gelleretli››? Ganz einfach; das bedeutet: «Quelle heure est-il'?››
Dass man in frühern Zeiten streng, ja sogar strenger als heute, auf die äussere Erscheinung acht gab, mögen folgende Bestimmungen aus dem Kleidermandat von 1628 der gnädigen Herren von Bern beweisen:
«Wann ein junge Mansperson uss frömbden orten heimkompt und
usslendische verbottene Kleydung antragen wurde, soll derselb innert 6 Wuchen von dato syner heimkunfft dieselbe ablegen. Die übelanständigen uberflüssig gross und lange Haar und Haarlocken ledigen, und verehelichten Manspersonen, dessglychen allen und jeden Töchteren die üppigen uffgestellten haar gentzlich verbotten syn.
Die Wybsbílder, jung und alt, sollend die gar zu kurzen, lychtfenigen und üppigen Gippen und Röck, die by menniglich auch armen Diensten gar oberhand genommen, endeten, dieselben und die köstlichen mit Sammet besetzten Wulhembder, sydene bändel und Haarschnür myden, die Gippen und Röck hinfüro dergestalten machen
lassen, dass sie die Waden vollkommen bedecken mögind,und etwan ein gmünts hoch vom härd uffgangind.››