Ein salomonisches Urteil

Eine recht verzwickte Angelegenheit hatte das Chorgericht im Dezember 1631 zu beurteilen; wir lesen da: «Uff Mittwochen, den 7.Decembris Chorgricht ghaltten, umnd sind erschinnen: Adelheit Löffel sampt irem man, Item ouch Evi Kläntsclıi, wägen dass sy iin vergangenen Sommer lasterlich und schmächlich einanderen zugredt, ouch daby übel gschworen unnd gefluchet. Und diewyl die ehrverlezlichen wort; schon zuvor durch ehrenlüt ufghebt worden, haben wir allein die flüch, schwür unnd Gotteslesterungen, so in sölchem kyb und zanck möchten mit underglouffen syn, von inen allersytts erfahren unnd erforschen wöllen.›› Hiezu vorerst folgende Erläuterungen: Adelheid Löffel und Evi Kläntschi waren beide verheiratet und hiessen - nach heutigem Brauch - Frau Jung, resp. Frau Brucker oder Brugger, wie in einem spätem Protokoll zu lesen ist; damals aber Wurden die Ehefrauen in der Regel mit ihrem Mädchennamen erwähnt. So hiess es beispielsweise: «Trini Schütz, Cuni Bürgis wyb, oder «Bendicht Derni und Barbara Gyi, syn frouw.›› Wir sehen im weitern: eine Ehrverletzungsangelegenheit konnte damals durch irgendwelche «ehrenlüt ufghebt werden››. War da nicht möglich, so geschah es auch offiziell im Chorgerichtsverfahren, wie wir noch sehen werden. Im vorliegenden Falle betrachteten die Chorrichter als ihre einzige Aufgabe, die <<flüch, schwür und Gotteslesterungen» festzustellen und zu ahnden; aber als man die beiden Frauen danach fragte, «haben sy uff unser frag und klag nit antworten wöllen, sunder stätts von andren sachen - nüt zur sach dienende - gredt››, im Gegenteil; die zwei <<Kampfllennen›› trumpften gegenseitig auf mit neuen verleumderischen Anklagen; «insbesonderheit klagte Adeli ab Evi, es habe gseit, es heige ein man grümt (geprahlt), er syge Adelis sieben mal mächtig worden» und weiter «Evi heige gseit, der Tüfel habe die gfatterschaft erdacht››, Wobei mit «gfatterschafft >> vermutlich das Chorgericht oder zum mindesten der damalige Obmann dieses Gerichtes, «Meyer Daniel Riss››, gemeint war. Evi Kläntschi, «Bruckers wyb››, behauptete, nichts dergleichen gesagt zu haben, doch Adeli Löffel, alias Frau Jung, anerbot sich, «es mit gutter kundtschafft zu erwysen und zu erzeigen››. Das Chorgericht sah sich vor einer neuen Situation; eigentlich Wollte man nur «die flüch, schwür und Gotteslesterungen erfahren und erforschen» und entsprechend ahnden; aber die beiden Frauen wichen aus und waren «der schwüren halben nit durchuss bekantlich››. Dazu kamen diese neuen Verdächtigungen, die ebenfalls nicht zugegeben oder bewiesen werden konnten. Deshalb beschloss das Chorgericht: «Wir haben die sach, deren besser nachzuforschen, biss uff das Nächst Chorgricht ufgezogen, unnd sy hienäben zu frid, ruw unnd einigckeit vermant» Am Sonntag, den 28. Decembris 1631 nach der Predigt war es soweit: Adeli und Evi Waren Wieder aufgeboten, doch vorerst sollten noch eine Anzahl anderer Fälle im alten Jahre erledigt werden.Da erschien «Nicli Geri von Ober Weerd, von wegen dass er by einem Wälschen wyb, Johanna genant, von Tachsfelden,ussertlhalb der Eh ein Unehlich kind erzüget, und diewyl er dessin bekantlich, ist er 5 tag und sovil nacht in die gfangenschafft erkennt, und dem Chorgricht allhie um ein pfund zugesprochen und zur künschheit vermant Worden>›. Dann kam «Küngeli>› (Kunigunde) Hasen dran, «von wegen, dass es verflossnen Herpst dem Statthalter am obs (Obst) gsyn, und dass sy ouch wegen irer lychtfertigckeit halben ein ursach ires mans unfals, (ihr Mann hiess Peter Arn) sol sy 10 schilling dem Chorgricht, und 24 stund in die gfangenschafft gleit werden» Man hiess vortreten «Bartli Bürgi und Trini Schütz, Cuni Bürgis wyb››, hernach «Anni Baumgartner von Ottiswyl››, dann kam dran «Hans Küng, der gross, von Ottiswyl» und schlussendlich – die Mittagsstunde war schon längst vorüber - traten vor: <<Stefan Brucker mit sym Wyb Evi Kläntschi und Steffan Jung mit sym wyb Adeli Löffel, wegen dass sy gar grobe und schwäre articul abeinandren klagt, als uss (wie aus) den vorgehenden Actis (Akten) zu sächen (sehen)››. Man kürzte das Verhör sichtlich ab. Meyer Daniel Ris berichtete kurz, man sei den gegenseitigen Verdächtigungen der beiden Frauen nachgegangen, habe aber keine diesbezüglich triftigen Ursachen finden können; im Gegenteil, man habe allerseits nur bestätigt gefunden, dass es sich hier um «wyberreden und töübeten» handle; niemand von den Angefragten habe zu irgendeinem Beweise antreten wollen. Offenbar hatten inzwischen auch die strittigen Frauen eingesehen, dass sie sich auf falscher Fährte befanden und zeigten sich sichtlich erfreut, als der Vorsitzende erklärte, das Chorgericht habe beschlossen, «sy zu Vermeydung grösseren unrhatts widrum zu vereinbaren››. Der Sinn dieses Urteils: «alle wort und werck, wie sy verloffen, söllen allerdingen todt und ab syn, als wenn sy nie gredt wären, und sol keinem an synen ehren verwysslich oder nachtheilig syn.›› Aber aufgepasst, das war nicht der ganze Urteilsspruch: wir lesen weiter: «diewyl sy sich mit fluchen, schweeren und lesteren vergangen und wir ouch nun zu zweyen unterschiedenlichen malen mit inen (ihnen) zu thun ghan, söllen sy uns, diewyl der Mehrentheil (Mehrzahl der Chorrichter) nüchter an das Chorgricht gangen, und all bis um halbe zwey gsässen, für unser müy (Mühe) und arbeit ein abendtrunck in bscheidenheit zalen, da (davon) Stefan Brugger zwen theil, der ander Steffan Jung aber ein theil zahlen sol, sind also zu frid, ruw und einigkeit, zu guter nachburschafft vermant worden» Offenbar waren auch die beiden Steffane recht froh, den argen Farmilienzwist mit einem Glas Wein beenden zu können; denn zum Schluss heisst es: «dass sy alle mit mund und hand sölches (Urteil) zu halten angenommen und dem Herren Gvatter Meyer in die hand verheyssen›>.