Sonntags halbmass trincken

Am Sonntag, 18. Oktober 1663, musste «Salchlis knecht von Arberg, Christen Bucher us der Wolen-Kilchöri» vor Chorgerícht erscheinen, Weil er am Sonntag im Wirtshaus getrunken habe. Er verteidigte sich, „er sige by sinem Schwager Hans Löffel gsin, habe nur ein halbe (7,5 dl) im Wirtshaus truncken“.

Wie sollte man da entscheiden? Sogar der Vogt schien ja diese «Sontags-halbmass-trincker» entschuldigen zu wollen. Die Chorrichter wollten endlich einmal klare Weisungen von Bern verlangen. Der Prädikant wurde beauftragt, eine entsprechende Anfrage an die gnädigen Herren «Ersamen Chorgrichts» in Bern zu richten.

Die Antwort war eindeutig, und schon am 1. November 1663 hatte man passende Gelegenheit, dem jungen Wirt Caspar „klaren Wein“einzuschenken. Es heisst da: «Sontag den l. Novembris wurd dem Caspar Marti, dem jungen wirt zu Lys türgehalten, dass er wider so vilfaltige Warnungen Sontag nach Bartolomäy etlichen jungen gsellen wyn ufgestelt, die hernach ein grosses und grüwliches gschrey ufm

fäld nach by dem dorf zu verdruss ehrlicher lüthen gemacht, andere aber einanderen gestossen, geschulten, sonderlich Joel und Peter Möri.››

Dann heisst es weiter: «Ward ihm dissmal nüt uferlegt››, wohl aus der Überlegung, dass solches Bewirten ja bisher nicht eindeutig strafbar erklärt war. Aber von nun an sollte es klar sein; wir lesen: «es ist ihm heiter angezeigt worden, wofehr er hiesigen lüthen mehr zu trincken im Wirtshaus an Sontagen ufstellen werde, sölle er ohne

witere gnad nach M. Gn. Herren Reformation gestraft werden, sonderlich wyl ein Ersam Chorgricht zu Bern durch ein an mich, den Predicanten, gerichtetes schriben ernstlich befolchen, dass man die Sontags-halb-mas-trincker ohne ansechen der person straffen sölle, welches schriben ihme, dem wirt, am Chorgricht vorgeläsen worden.››

Das scheint auch dem Wirt Eindruck gemacht zu haben; denn ein halbes Jahrlang steht nichts mehr von «Sontags-halb-mass-trinckern» im Chorgerichtsmanual. Aber es heisst ja im Volksmunde; «Die Katze lässt das Mausen nicht››, und tatsächlich ist‘s am 12. Juni 1664 wieder so weit. Im Protokoll steht: «Ist vor Chorgricht erschinnen Caspar

Marti,der wirt allhie,welcher angeklagt ward,dass er in disem Sommer schon 4 kinderlehren underlassen, auch schlechtlich und selten zum Examen komme; welcher antwortet, er komme zum Examen, wen er der wyl heige, er heige nit alle mal der wyl; der kinderlehren halben, da sige er an einem Sontag dunden zu Arberg gsin, am andern Sontag sige sin Mutter zur kinderlehr gegangen, die anderen 2 Sontag heige

er dem Herren Burgermeister von Arberg zur zyt der kinderlehr im Wirtshaus müssen gsellschaft halten. Er heige vor 8 tagen, Sontag den 5. Juny gan Ammerswyl ans Buchers kindbetti gwellen, aber es sige ihm zu warm gsin, do heiger ihm müssen gsellschaft halten. Daruf ward erkennt: diewyl er von ihm selbs bekent, dass er dem

Herren Burgermeister zu Arberg in werenden (während) kinderlehren zum zweiten mal im Wirtshaus gsellschaft ghalten, do er in der kinderlehr sin söllen, deren er auch hochbedürftig, sölle er nach der hochen Obrigkeit Reformation umb 3 kronen gestraft sin, darvon den Chorrichteren der dritte theil gehört. So ward er auch beklagt, dass eben vor 8 tagen, do der Burgermeister by ihm gsin, sich andere von hiesigen leüthen und anderstwo har am selben Sontag im Wirtshaus befunden, und nachdem sie Wegen höüw und Embds gemärtet, auch daselbs getruncken haben, welches

er gelöügnet; so ist erkent, man sölle die personen bschicken»

Es scheint klar: diesmal wollte man durchgreifen; das Verhältnis zwischen Wirtshaus und Kirche spitzte sich bedrohlich zu.