Schulprobleme

Im Chorgerichtsprotokoll vom 24. Januar 1664 heisst es; «So ist auch erschinnen Köngi Laubscher von Aegerten, welches bekennt, dass es innert 2 jahren niemals bim Examen gsin; sin Meister und Meisterin heigen es nie gmant, dahin zu gahn.“ Es war ihm furchtbar leid, «hatt um verzychung gebetten und sich erbotten in des künftig, so es zum tisch des Herren gan welle, zum Examen zu kommen››.

Es fällt auf, dass es sich hier nicht um ein Schulkind, sondern um eine Dienstmagd handelt, die verspricht, «in des künftig zum Examen zu kommen››, und wir fragen, welche schulgesetzlichen Bestimmungen hier massgebend waren. Hierzu nur einige Hinweise: Seit der Reformation gab es in Bern einen sogenannten Konvent, bestehend aus Dekan, Pfarrern und Professoren der Hauptstadt. Im Aufgabenkreis dieser staatlichen Behörde lag die Sorge um das Wohl der Kirche und damit allgemein die Überwachung von Zucht und Ordnung im Volke. Zu diesem Zwecke stellte man in Mandaten Richtlinien und Vorschriften auf, und die Chor- oder Ehegerichte im Lande draussen hatten darüber zu wachen und Fehlbare zu strafen. Da hiess es beispielsweise, wer sich verehelichen volle, dürfe beim «Kirchgang nicht üppige gfräss oder tänz» anrichten.

Doch halten wir uns an die Schulprobleme, die wir eingangs erwähnten.

1615 beschloss dieser Konvent die Einführung der Sommer- und Winterschule im ganzen Bernbiet, und in der „Landschulordnung vom 16. April 1616“ wird das Schulprogramm folgendermassen umschrieben

a) Auswendig lernen der Katechismusfragen aus dem Berner evtl. Heidelberger Katechismus;

b) Belehrung für Eltern und Paten über die Taufe. Seit 1628 waren alle 13- und 14jährigen Kinder schulpflichtig,

1673 beschloss man, die Erwachsenen sollen den Heidelberger und Berner Katechismus repetieren, kurze Psalmen auswendig lernen und die Bibel lesen.

Dies hätte eben auch unser Köngeli Laubscher tun sollen. Das Auswendiglernen biblischer Texte oder Fragen und Antworten aus dem Katechismus war das Hauptanliegen der damaligen Schule. So beschloss man 1622, für die «beim Katechismus fleissigen Töchter» Katechismuspfennige zu prägen. Und es soll Gemeinden gegeben haben, die für solche Prämien mehr ausgaben als für die Besoldung der Schulmeister. Besonders berühmt waren die grossen Psalmenpfennige im Werte von 20 Batzen, die man in Bern und Burgdorf jenen Schülern schenkte, welche die 150 Psalmen lückenlos auswendig hersagen konnten.

Vielleicht prüft der eine oder andere Leser einmal sein Gedächtnis am Psalm 119!

Dass man auch in Lyss die Fleissigen auszeichnete, beweist das Chorgerichtsprotokoll vom 25. April 1773. An jenem Sonntag erschienen sechs Väter und eine Witwe vor Chorgericht, weil sie ihre Kinder nicht zum Schulexamen geschickt hatten.

Bendicht Kräüchi aus der Harderen rechtfertigte sich, «sein Knab habe ferndrigen Jahrs in dem Examen nur 1Batzen bekommen, da er doch im Lernen anderen gleich gewesen, die 2 Batzen bekommen haben. Er wolle auch solang dieser Schulmeister da sey, desthalb sein Kind niehmahl mehr in die Schul schicken» Man gab ihm zur Antwort, «wann etwan seinem Knab durch Verschuss überschechen seye, so hätte er es können anzeigen, man würde ihn dann anderen gleich gehalten haben“.

Aber Bendicht Kräüchi beharrte darauf, sein Kind nicht mehr zu schicken.

Auch Rudolf Mollet, der Schmied, hatte es unterlassen, sein Stiefkind, Hans König, ins Examen zu schicken. Er verteidigte sich, «er habe diesen Winter sein Kind, da es krank gewesen, zu Haus behalten und daheim gelehret››. Als es dann wieder zur Schule ging, habe es der Lehrer im Heidelberger Katechismus streng geprüft, und

da es nicht habe antworten können, habe ihm «der Schulmeister das Buch zurückgeschmissen und solches Wort gesagt, das er nicht sagen dörfe››. Zudem habe dieser «Schulmeister das Collegi (eine Art Kirchenchor) zerstört, und er werde das Kind nicht mehr in die Schul schicken››.

Das Chorgerieht sah sich gezwungen, beide Fälle dem Landvogt in Aarberg zu rapportieren, da das Verhalten des Schulmeisters auch zur Diskussion stand.

Ob in Lyss die Prämien an die Schüler fürs Auswendiglernen mehr ausmachten als der Schulmeisterlohn, ist fraglich, aber durchaus denkbar; denn 1628 erhielt ein Lehrer für 4 Wochen Winterschule ganze 4 Taler. Freilich darf nicht vergessen werden, dass er zusätzlich noch „Naturallohn“ bezog, wie aus folgendem Chorgerichtsfall ersichtlich ist. Da lesen wir unterm 2. Juli l663: «Christen Höübi ist censuriert worden, dass er sine kind nit zur Schule schicke. Er sagt, er könne nit jedes tags dem Schulmeister 3 stücki brott geben; er heige andere jahr sine kind geschickt, er verrnöge es jez nit mehr.››