die leide Trunksucht

Den gnädigen Herren in Bern lag daran, gegen die immer stärker grassierende Trunksucht anzukämpfen. Dementsprechend erliessen sie das Verbot, an Sonn- und allgemeinen Feiertagen Einheimischen im Wirtshaus «Spys und tranck» abzugeben. Nur Durchreisende durfte man bewirten. Offenbar wurde darüber diskutiert, ob Einheimische an Sonntagen nicht wenigstens Anrecht auf eine halbe Mass Wein hätten; doch die Obrigkeit in Bern blieb hart, und damit dem Verbot nachgelebt werde, setzte sie zünftige Bussen fest, wovon zwei Drittel in des Landvogts Taschen flossen und ein Drittel unter die Chorrichter verteilt werden sollte. Man sah sogar die Möglichkeit vor, sogenannte „Verleiden“, Angeber, für wertvolle Winke zu entschädigen. Das roch schon reichlich nach einem Spitzelsystem.

Die gute Wirtin Anni Krachbelz hätte sich geıne diesen Vorschriften gefügt, doch wie sollte sie als Frau vor allem gegenüber rabiaten Trunksüchtigen dem Gebot Nachachtung verschaffen, wenn sie nicht einmal von ihrem Sohne Caspar in dieser Hinsicht auf Unterstützung zählen durfte?

So lesen Wir denn im Chorgerichtsprotokoll: «Frytag, den 24. Apr. 1663 ist vor Chorgricht erschinnen Durs Schwab, darum dass er zu Arberg am Karfrytag in der hochen (heiligen) Wochen sich mit wyn gefüllt, und im heirngan sich in das hiesige Wirtshaus begeben, alwo er bis über mitternacht getruncken, und wan ihn schon die Wirti gheissen heimgan, er doch es nit thun Wellen; darum ist er hart censuriert und

ihm die unanstendigkeit dess wyntrinkens zum überfluss, sonderbar aber in der h. zyt, da man mit gottsaliger betrachtung dess lydens und Sterbens Jesu Christi umgahn soll, ernstlich fürgehalten worden und umb 15 schilling gestraft.

So ist auch da gsin Hans Steinegger, dess Hansen Sohn, und Jaggin Stebler, welche uf glichem carfrytag alhie im Winshaus getrunken by nacht, darum sie censuriert worden, und erkent (beschlossen), Wan sie von der Wirti gemant worden heimzugan und sie es nit gethan, solle jedlicher 10 schilling erleggen. Darum dem Chorweybel befohlen, nach geendetern Chorgricht die Wirti zefragen.

Umb Mittag hatt der Weybel mir (dem Prädikanten) anzeigt, die Wirti habe gesagt, dass sie sie heige gmant heim zu gan, haben aber nit folgen Wellen. Söllend desswegen die 20 schillig samethaft erleggen.››

Die Wirtin selbst kam ungeschoren davon; man schätzte ihren guten Willen. Ihr Sohn War damals nicht anwesend. Um so kräftiger packte man im folgenden Falle zu, als offensichtlich Caspar selbst mitschuldig befunden wurde und von einem „Verleider“ sogar der Landvogt in Aarberg orientiert ward.

Das entsprechende Protokoll lautet: «14. Juny 1663 sind vor Chorgricht erschinnen Niggi Löffel, Hans und Stophel Arn, dess Statthalters Söhn, und Jaggi Steiner.

Der Löffel hatt bekent, dass er, wie auch Stophel Arn und Hans von Dach, mit Niggi Marti am Sontag vor der h. Pfingstzeit im Wirtshaus getruncken, die ersten vier 1 mass (l,5 Liter) die selben hernach sampt noch zweyen Widrum 1 mass, Welches biss 1 einzweitel stund in die nacht hinein geweert (dauerte), da sige Niggi Löffel und Stophel Arn ohne Liecht zur Magt und Salome, der Wirti tochter, in ihr gmach gangen, Welche schon in ihrer ruh gsin, darüber Caspar, der Wirti sohn, ihnne gfragt, Was er, Niggi, so spat da zu thun habe. Und uf empfangnen unngerimten bscheid heige er ihm ein paar mulschellen geben, dariiber Hans Am, des Statthalters sohn, ihme Caspar, verwyssen (vorgehalten), er heige Wellen wyben, sige ihm aber nit grathen. Ein gliches habe Caspar ihme, Hansen, auch ufgrückt, do habe Hans zum Caspar gseit; blas mir ins füdlen; daruf der Caspar geantwortet: kum hinus, heb din schelmen füdlen dar, ich Will dir drin blasen»

Das Chorgericht erforschte nicht lange die reichlich unzüchtigen gegenseitigen Verdächtigungen und entschied kurzerhand, «dass sie alle censuriert werden söllen; der Caspar, Wyl er Wider der Oberkeit Reformation und gethane Warnungen am Sontag gastung halte, und sonderlich die jungen knaben ins Wirtshaus locke, solle er luth der Reformation 3 kronen geben; es sölle aber der Herr Vogt dessen begrüst werden, wyl das Chorgricht theil an der bus hatt und durch denselben (den Vogt) der faler endeckt worden, damit Wen er von sinen zwen theilen der buss etwas nachlassen welle, ein Chorgricht von ihrem theil auch etwas nach lasse.

Demnach wyl Stophel und Niggi ohne liecht in das gmach gangen, da die wybsbilder schon in der ruh gsin, jetlicher 10 schillig, derNiggi noch 10 Schilling darzu, wyl er am Chorgricht gebochet und die Warheit nit bekennen wellen; Hans Arn und der jung Wirt Caspar von wegen ihrer wüsten unflätigen Worten jetlicher I0 schillig erleggen.“

Im anschliessenden Vermerk schrieb der Prädikant: «Stophel und Hans haben jetlicher ihr zechen (10) schillig erlegt, dessglichen der Niggi sin halben gulden.

Mittwochen, den 17. Juny hatt sich der hochgeehrte Herr Vogt zu Arberg erklert, der 3 kronen halben, darvon er 2, wir aber 1 theil haben, dass was wir sinet- und unseretwegen erkennen Werden, welle er zufriden sin.“

ln der folgenden Chorgerichtssitzung wurde dem grosszügigen Angebot des Landvogtes so entsprochen, dass die «knaben›› recht günstig wegkamen, Caspar jedoch immerhin anstatt 3 Kronen noch 3 Gulden bezahlen musste, was ungefahr dem Wert von zwölf Liter Wein entsprach.