hornussen nasen
Jörgis Tochter kam in Tränen aufgelöst heim und jammerte, Bendichts, des Nachbars «frouw heyge ihr so Wüst gseit: der tüfel sol mir in den krossen fahren, my Vatter syge ein banckhert››, und was wohl das bald heiratsfähige «meitlin» am meisten schmerzte, «sy hat mich ein hornussen nasen gheyssen, hu, hu, huuu!»
Das war auch der Mutter Maria zu dicke Post. So etwas durfte nicht ungestraft bleiben. Sie meldete diese unerhörten Anwürfe dem Obmann des Chorgerichtes.
Was war denn eigentliche Ursache zu diesem Nachbarhatz? Am «7.tag Aprellen 1633» erschien vor Chorgericht Bendicht Berger, «wägen dass er, Wann er vom trunck uss dem Wirttshuss heim gaht, nächtlicher wyl unrüwig ist, schreyt und iuchzet, tobet und wüttet und an Sonntagen wider allen bruch und gwonheit das brunnenwasser ab der Leuweren nimpt und in syn hofstatt reyset, dardurch die acheren nit allein zergrabt und zergrüblet, sonder ouch die strass verböseret und findtschafft under den nachbuwren angrichtet wird››. Dass er «im zech (bezecht) schreyt, iuchzet, tobet und wütet›>, will er zugeben, aber Wasserdieb? Nein, das war und ist er nicht, behauptet er.
War dies vielleicht das Werk von Nachtbuben, die wie es auch heute noch vorkommen soll - die bösen Streichefolgen nicht ahnten und nun allen Schaden diesem Völlerich in die Schuhe schieben wollten?
So oder so, die Nachbarschaft war aufgebracht, suchte einen Schuldigen, glaubte ihn in Bendicht gefunden zu haben,und wie es so geht: aus anfänglich leisen Verdächtigungen entstand in Kürze ein Nachbarstreit, wie er «im Buche steht», denn nur das Chorgericht allein schien in der Lage zu sein, wieder Frieden stiften zu können. Der Fall schien so wichtig, dass man den damaligen Vogt in Aarberg, Nicolaus Rodt, um seine Anwesenheit bat.
Am Freitag, dem 12. April 1633, erschienen «Jörgi Kuchen und syn wyb Maria Bertschi, ltem Bendicht Berger und syn wyb Madleni Schürer››. Man erteilte der Klägerin Maria Bertschi das Wort und sie wiederholte die Aussagen ihrer Tochter: «der tüfel sol ihr in den krossen fahren››, feiner das vom «banckhert» und der «hornussen nasen».
Hiezu einige Erläuterungen: «Krossen» bedeutet Gurgel oder im eigentlichen Sinn Kehlkopf. Man sagt etwa drohend: «I nime di de bim Chrosse!» In frühern Jahren fragte der Metzger, wenn man eine Rindszunge bestellte: «Eine mit oder ohne Chrossen?» Mit «Chrossen» bedeutete, dass man die Zunge samt dem Kehlkopf wünschte. Der Ausdruck: «der tüfel sol im in krossen fahren›>, bedeutet demnach wohl, der Teufel möge ihm die Stimme nehmen, damit er nicht mehr Böses reden könne.
Die Tochter sei «ein hornussen nasen». Erstens ist hier interessanterweise wohl bewiesen, dass damals auch in unserer Gegend das Hornussen bekannt War. Wie sah in jener Zeit ein Hornuss aus? Vermutlich ähnlich, wie wir ihn in meiner Bubenzeit zurechtschnitzten: von einem 3 bis 5 cm dicken Ahornast sagte man ein rund 10 cm langes Stück ab, kerbte es auf der einen Seite ein, damit man es vorne am «Bock» anhängen konnte.
Dieser Hornuss war im Vergleich zu den heutigen 60 Gramm schweren eleganten Kunststofthornussen ein recht plumpes Ding, und wir begreifen deshalb, dass damals der vergleichende Ausspruch, «du bist ein hornussen nasen», überaus beleidigend wirken musste.
Nicht Weniger beleidigend wirkte Wohl: «syn Vatter syge ein banckhert››, denn da lesen wir im Wörterbuch: Bankert = «auf der Bank erzeugtes» uneheliches Kind.
Bendicht Berger gab zu, dass solche Anwürfe gefallen seien; dass dies aber nur geschehen sei, weil man ihn einen Wasserdieb genannt habe.
Noch konnte sich Maria Bertschi, Jörgis Frau, nicht besänftigen; vor den Chorrichtern nannte sie Madleni Schürer, Bendicht Bergers Frau, eine Lügnerin, was sie aber recht teuer zu stehen kam; denn nach schliesslich einigermassen erfolgreicher Friedensverhandlung kam man zu folgendem Urteilsspruch: «Berger sampt syner frouwen sol gägen den Herren Vogt um die scheltwort abschaffen und dem Chorgricht 20 schilling erlegen. Jörgis frouw aber, diewyl sy Bergers frouw offentlich vor dem Chorgricht gheyssen liegen (lügen) und gseyt, sy rede nit wie ein ehrliches wyb, sol sy ouch ein pfund dem Chorgricht erlegen und dem Herren Vogt 30 schilling buss gän und
noch mit dem Herren Vogt um syn ryt (Ritt) oder taglohn abmachen»
In einer Schlussklausel wurde festgehalten, «Welche party oder person inskünfftig zum ersten anfachen wurde, widerum zu zanken, zu schmächen und zu lesteren, es syge glych von der Wässerung oder anderer ursachen Wägen, die sölle 5 pfund buss gäben, Welches sy beidersyts mit mund und hand angenommen»