es hätte nicht so sein müssen
Unzählige Menschen fielen zu allen Zeiten und fallen besonders in unserer Gegenwart einem uns blind und sinnlos erscheinenden schicksalhaften Geschehen zum Opfer. Es ist uns deshalb bewusst, dass die folgenden Beispiele solchen Leides im Vergleich zu den Millionen von Opfern der Kriege, des Hungers und der sozialen Wirren unseres Jahrhunderts kaum Beachtung zu verdienen scheinen. Und doch vermögen auch sie uns nachdenklich zu stimmen; eine an unser Gewissen pochende Erkenntnis sagt uns: «Es hätte nicht so sein müssen»
Da heisst es beispielsweise: «Am 26. Dezember 1697 ist ein Kind getauft worden mit Namen Jacob, dessen Mutter eine hausarme frauw ist, die im land allmusen nachziehet. Sie hat angegeben, ihr Namen seige Barbara Bäni auss dem Turgeüw; gibt an, dass dess Kindess Vatter, ihr eheliche Mann, seige Hannss Jacob Weilheim,
auch uss dem Turgeüw, den ihra die soldaten 5 stund unter Strassburg mit sich hinweggefuhrt. Hannss Steinegger, Daniel Riss und Elsbeth Strauch wahren Taufzeugen.››
Über soziale Zustände damaliger Zeit geben im Weitem folgende Eintragungen Auskunft: „Den 31. Marty (März) 1702 ist eine eheliche Tochter getaufft worden mit namen Madle. Die Eltern: Hans Heinrich Dietsch von Roggwil aus dem Bischofsgebiet und Madleni Baumann Von Worb.›› Der Pfarrer fügte bei: «Dieses Kind ist alhier im Dorff von einer bettlerfrauwen geboren worden, da sie dem Allmosen nachgegangen.››
Natürlich konnte die Bettlerin die Patenschaft nicht selbst bestimmen, und da stellte sich dann vorab der Pfarrer Johann Jacob Straub zur Verfügung. Er bat Madle Arn, die Frau des Statthalters, und Barbara Schlupp, als Gotten zu Wirken.
Unterm 3. September 1741 heisst es: «ist allhier ein Söhnlein getauft und genennt worden Samuel, dessen Vatter sein soll Hans Ullrich Lüem von Schintznacht und die Muter Salome Meyer auch von Schintznacht, welche als eine Landstreicherin in unserem Worben diss Kind gebohren, darzu erbätten worden zu Taufzeügen:
Niclaus Bidermann, Samuel Bidermann, Anna Bidermann.››
Die Annahme liegt auf der Hand, dass Familie Biedermann der armen Landstreicherin in ihren schweren Nöten Unterkunft und Hilfe gewährte.
Besonders im Totenrodel erkennen wir sozusagen zwischen den Zeilen viel Trauriges, das nicht so hätte sein müssen. Im Jahre 1706 verstarben in Lyss 28 Menschen, davon genau die Hälfte Kinder unter zehn Jahren.
Eine Notiz des Prädikanten lautet: «Am 6. Jenner 1706 der feerenen (Frau des Fährmannes) nacheltester Sohn, Steffan genannt, so beim fahr (Fähre) des abends ertrunken, vergraben worden»
Fast genau einen Monat später, am 7. Februar 1706, fügte er bei: «ist der feerenen nach jüngster Sohn, so mit obigem Bruder ertrunken, auch vergraben worden»
Einen ganzen Monat lang haben sie damals also nach der Leiche Ausschau halten müssen.
Die Aare forderte noch andere Opfer. Wir lesen: «am 6. Jenner 1726 eine frau von Meyenried beerdigt, die hier bei der Schwelli ertrunken.››
Hiezu folgende Erläuterung: «bei der schwelli» bedeutet Uferverbauung. Um die immer wiederkehrenden Überschwemmungen der Aare einzudämmen, wurden die Anwohner zu «gemeinem Werk» verpflichtet. Eine Frau musste hier mitten im kalten Winter bei der gefährlichen Arbeit mitmachen. Ein weiterer Kommentar ist wohl überflüssig.
Am 2. Mai 1729 steht geschrieben: «ist Niclaus Ritz von Zollikofen, der Herrschafft Reichenbach, welcher vor einem Monat bey der Neüenbrügg ertrunken und hier beim fahr aufgefangen, am tag hernach allhier zur erden bestattet worden.“