zähes Holz

Der Walkeweg, parallel zu der Fabrikstrasse in Lyss, erhielt seinen Namen in Erinnerung an die geschichtlich einwandfrei erwiesene Tatsache, dass ungefähr dort, wo dieser Weg an den Lyssbach fuhren würde, einmal eine Walke stand. Zum Betrieb einer Walke war damals nämlich nicht nur Wasser, sondern auch Wasserkraft selbst nötig.

Die Bauern brachten aus der ganzen Umgebung ihr rohes Wollgewebe in die Walke nach Lyss, wo es unter Einwirkung von Wasser, Seife und Soda und den von einem Wasserrad betriebenen eichenen Holzhämmern (Stämpfeln) verfilzt, geknetet und gestampft wurde, damit es weich und geschmeidig werde.

Bentz Hofmann betrieb diese Walke; aber sie allein hätte wohl kaum zum Lebensunterhalt seiner Familie gereicht. Er war Landwirt. Das Bauernhaus stand ebenfalls in den Studen; aber schon die Tatsache, dass sein Land dort unten am Lyssbach lag, deutet daraufhin, dass Bentz auch als Bauer auf der „Schattenseite“ werken musste; denn wie oft schon reichten die Überschwemmungen der Aare bis zur Walke hinauf! Aber das junge Ehepaar war grundehrlich, treu, bescheiden und überaus arbeitsam. Besonders seiner Frau schien keine Arbeit zu schwer. An einem sehr kalten Oktobertag sah ein Chorrichter, wie die junge Frau in den hochgehenden Lyssbach hinauswatete und unter höchster Anstrengung eine Tanne ans Ufer zog. Das schien ihm unverantwortlich. Das musste er unbedingt vor Gericht melden; denn es war bekannt, dass Frau Hofmann in allernächster Zeit ein Kind gebären werde.

Wie reagierten die Chorrichter auf diesen Fall? Lassen wir vorerst die Protokolle sprechen! «Den 22. October 1695 ist widerumb die Ehrbarkeit versamlet gsin und anbracht worden, welcher massen des Bentz Hofmanns frauw in den stauden, die diser zeit grossen schwangeren leibes seige, und wie man höre, alle tag ihrer niderkunft gewänig sein müsse, dessenungeachtet mit ihrem Mann drösche, in den bach mit blossen beinen by diser Winterzeit stehe bis an die knie, da sie eine tannen selbs schwärlich heraussgezogen, item in der Walcke tag und nacht seige und übell erfriere, und demnach ihrer tragenden leibsfrucht schlächt rächnung trage.

Ist demnach erkannt worden, dass man sie beiderseits citieren solle, umb zu vemehmmen, ob der Mann sich also unverständig gegen ihren verhalte, oder aber sie so liechtsinnig seige, damit dem fählbaren seine liechtfertigkeit demonstriert werde 

Bentz und seine Frau wurden vom Weibel also aufgefordert, an der nächsten Chorgerichtssitzung zu erscheinen. Zwei Tage später, am 24. Oktober, erschien Bentz Hofmann jedoch allein. Das Protokoll lautet im weitern: «und da ihm das einte und andere fürgehalten worden, hat Er sich entschuldiget des Ersten, dass seine frauw zwar etlich mahlen mit ihm gedröschet. Er heige sie aber niemahlen darzu genöthiget.

Des zweiten heige sie ja auch ein tannen auss dem bach mit blossen beinen heraufgezogen; sie seige aber gleich widerumb zum feur gesässen, also dass sie nicht erkaltet, auch kein ungemach darüber im geringsten by ihra empfunden.

Des dritten hat Er gelaugnet und fürgeben, Er stehe allein der walckin tag und nacht selbs vor und lasse seine frauw nit unter die stämpfell; hat auch seine frauw entschuldiget, dass sie wegen gross schwangeren leibs ihra von hauss zu gehen nit wohl mehr getrauwe.››

Dann heisst‘s zum Schluss noch: «Ist demnach bester massen censuricrt und nach gegebener lätzgen (Lektion) heimbgelassen worden.››

Ich glaube, wir dürfen feststellen, dass die Chorrichter ihrer Verantwortung für das Wohlergehen der Familie, besonders der werdenden Mütter und des erwarteten Kindes, in schöner Weise gerecht wurden.